Leseproben, Gedichte, Rezepte Woche 7 Heute: "Emilie - Traumbegegnungen"

Minileseprobe der Woche 7

Dieses Mal aus de Roman Emilie - Traumbegegnungen aus der Reihe Das Vermächtnis der Lil`Lu.

 

»Emilie? Emilie! Ich kann dich sehen, warum kommst du nicht?«

Dannys Stimme klang ungeduldig. Schlagartig befand ich mich auf der Traumebene – mein braunes Licht strömte in alle Richtungen und leuchtete mir den Weg. Dort stand sie – hochgewachsen, die blonden Haare zu einem seitlichen Zopf geflochten – und schüttelte verständnislos den Kopf.

»Was soll das?«, fragte sie ungehalten.

Was sollte was? Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Viel zu froh, sie zu sehen, eilte ich auf sie zu und grinste sie freudig an.

Sie runzelte die Stirn. »Willst du mich zum Narren halten?«

»Wieso?«, fragte ich verwundert.

»Vielleicht, weil du dich hinter deinem braunen Schatten versteckt und mich heimlich beobachtet hast?«

Ich hatte was? Verwirrt sah ich meine Traumfreundin an.

»Wie kommst du denn darauf? Ich habe mich nicht versteckt. Warum sollte ich das tun? Ich bin doch heilfroh, dich zu treffen.«

Danny hob die Augenbrauen und musterte mich kritisch.

»Ich habe dich erst gesehen, nachdem du mich gerufen hast. Ehrlich«, fügte ich noch hinzu, da Dannys zweifelnder Blick mich durchbohrte.

»Hm«, machte sie nachdenklich. »Du warst aber da, ganz sicher«, beharrte sie.

»Ich war wo?«

»Na, in dem bräunlichen Schatten, so als hättest du auf dieser Traumebene bereits auf mich gewartet.«

»Hm«, sagte ich nun meinerseits. Traumebene. Wir hatten uns über unsere seltsamen Traumbegegnungen zu Anfang unterhalten. Danny vertrat die Theorie, dass ich mich auf eine andere Ebene transferieren konnte, um mit ihr zu kommunizieren. Eine Reise der Sinne in eine transzendente Raumzeit, in die ich sie irgendwie hineinzog. Denn laut Danny hatte sie gar keine Wahl. Sie selbst wurde einfach zu mir geführt, als folgte sie einem Ruf. Gehen konnte sie allerdings wieder, wann sie es wollte.

»Du meinst, ich kann diese … hm … Ebene auch ohne dich betreten?«, fragte ich zweifelnd. Wenn ich das könnte, weshalb tat mein Unterbewusstsein das dann nicht einfach? Immerhin war ich hier – wo auch immer das war – vor meinem Albtraum sicher.

»Da bin ich mir sogar sicher«, sagte Danny in meine Überlegungen hinein. »Du erschaffst diesen Zugang, es ist dein Werk, Emilie, nicht meines. Also solltest du die vorhandene Traumebene auch ohne mich nutzen können. Ich gehe davon aus, dass diese Raumzeit auch dann existiert, wenn du sie nicht nutzt.«

Ich stutzte. Eine neue Idee meines gequälten Unterbewusstseins? Erweiterte ich einfach die Traumebene und umging dadurch das Hindernis, dass Danny nicht immer auftauchen konnte? Schlau von mir, dachte ich in einer Mischung aus Verwirrung und Belustigung. Das wurde ja immer besser.

»Das wäre praktisch«, meinte ich nach einer Weile, während ich bereits überlegte, was mir mein Normalität anstrebendes Unterbewusstsein wohl als nächstes für Steine in den Weg legen würde … Und ob ich diese dann auch wieder mit neuen Ideen aus dem Weg räumen würde. Wenn das so weiterging, würde ich garantiert verrückt werden – ich meine so richtig Klapsmühlen verrückt.

Danny musste mir meine innere Unsicherheit angesehen haben.

»Probier es einfach aus«, sagte sie schulterzuckend. »Was hast du zu verlieren?«

Meinen Verstand? Ich seufzte und nickte ergeben. Selbstverständlich würde ich das testen. Mir war schmerzlich bewusst, dass ich für albtraumfreien Schlaf so einiges opfern würde.

»Aber vergiss mich dann nicht«, knurrte Danny. Und ich meinte damit ein echtes Knurren.

Bei unserer ersten Traumbegegnung hatte es uns beide unerwartet erwischt. Ich hatte völlig perplex vor einer wild aussehenden Frau in eindeutiger Angriffshaltung gestanden. Im Gegensatz zu Danny war ich wie gelähmt gewesen. Ich hatte diese Frau, die eher einem wilden Tier glich, einfach nur angestarrt – unfähig mich zu rühren oder einen Ton zu sagen. Sie dagegen hatte, ähnlich einem Panther zum Sprung bereit, gefährlich und sehr laut gefaucht. Das tiefe Knurren, das darauf gefolgt war, verpasste mir noch heute eine Gänsehaut, wenn ich daran dachte. Doch heute war sie meine Freundin – irgendwie. Das Knurren gehörte zu ihr, wie das Seufzen zu einem Menschen. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass Danny speziell war. Ein Wesen aus einer anderen Welt. Und abgesehen davon nur ein Hirngespinst meinerseits.

Ich lächelte Danny ehrlich an. »Niemals, versprochen. Wie sollte ich jemanden wie dich einfach vergessen? Keiner knurrt so schön wie du.«

Danny knurrte noch einmal – dieses Mal eindeutig als abfälliges Schnaufen gemeint –, dann nickte sie nur. Irgendwie wirkte sie bedrückt. Mir fiel ein, dass sie außer mir niemanden hatte. Sie war auf der Flucht vor ihresgleichen, die sie zu etwas zwingen wollten, das sie nicht wollte. Danny war einsam, das verstand ich auf einmal. Ich war die einzige Person, die ihr Gesellschaft leistete – wenn auch nur sporadisch in unseren Träumen.

»Nein, im Ernst Danny«, sagte ich nun aufrichtig. »Du bist meine Freundin. Ich freue mich, dich zu sehen. Unsere Gespräche bedeuten mir sehr viel. Ich mag dich.«

Das stimmte sogar. Sicher, ich hatte sie erfunden, um meine Albträume in den Griff zu bekommen. Aber eines war klar: Wäre sie real, wäre sie garantiert ebenfalls meine Freundin. So grundverschieden wir auch waren, so verband uns etwas, das stärker war, als einfache Bekanntschaft. Irgendwie fühlte es sich sogar stärker an als Freundschaft. Es war mehr wie ...

»Du könntest meine Schwester sein.« Da Danny mich überrumpelt ansah, begann ich zu stottern. »Ich … ähm … Ich meine, irgendetwas gibt es da zwischen uns. Ein unsichtbares Band … Irgendwie …«

Sie hob die Augenbrauen.

Ich schlug mit den Armen aus. »Ich weiß auch nicht. Es ist, als ob wir zusammengehören.«

Eine ironische Stimme meldete sich: Ja, genau, immerhin ist sie ein unterbewusster Teil von dir.

Ich ignorierte das. »Es ist ...«

»Als ob es eine uralte Verbindung gäbe«, beendete Danny meinen Satz. Ihre Katzenaugen ruhten lächelnd auf mir.

Ich hielt inne. Eine uralte Verbindung …

Irgendetwas rührte sich in meinem Inneren. Etwas, das tief verborgen schien. Eine Flut von Gefühlen strömte durch mich hindurch: Macht, Liebe, Verlust und eine uralte Kraft, die mich zu erfüllen schien. Mir wurde schwindlig. Ich zog hörbar die Luft ein und schwankte. Dann war es genauso schnell vorbei, wie es gekommen war.

»Ich spüre es auch«, wisperte Danny. »Diese unendliche Kraft.«

 

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Emilie - Traumbegegnungen (Das Vermächtnis der Lil`Lu )

 

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