Minileseprobe aus "Wie angelt man sich einen Piraten?"

Minileseprobe

 

Genre: Fantasy, Mystery, Liebesroman

 

Irgendwie hatte ich Radfahren wesentlich weniger anstrengend in Erinnerung. Als ich in den Ort radelte – es kam mir eindeutig eher wie zehn Kilometer als fünf Kilometer vor –, schnaufte ich wie eine Neunzigjährige, meine Muskeln brannten und mein Allerwertester schmerzte. Außerdem hatte ich Schürfwunden an einer Stelle, die ich hier nicht näher definieren möchte. Ich verfluchte den harten Sattel und mein verweichlichtes Fleisch. Als Kind hatte ich nie solche Probleme gehabt. Ich war ganz klar zivilisationsgeschädigt und völlig verwöhnt. Ich seufzte und biss die Zähne zusammen. »Komm schon, Neele, du kannst das. Du brauchst nur ein bisschen Training!« Egal, wie sehr ich mich selbst peppte, mir grauste bereits vor der Rückfahrt.

Im Krämerladen des Örtchens begann ich meine Einkäufe zusammenzusammeln, doch schon bald erkannte ich das nächste


Problem. Worin oder womit sollte ich den Berg transportieren? Ich konnte wohl schlecht mit vier Tüten am Lenker zurückfahren.

»Guten Morgen!«, begrüßte ich die ältere Dame an der Kasse und bemühte mich, ihre Lockenwicklerfrisur nicht allzu lange anzustarren. War die rosa Farbe ein Färbeunfall? Für den Fall, dass das Resultat gewollt war, verkniff ich mir einen mitleidigen Kommentar. Stattdessen konzentrierte ich mich auf mein eigenes Problem.

»Sagen Sie, haben Sie vielleicht einen Korb oder Ähnliches im Angebot? Ich bin mit dem Fahrrad da und weiß ehrlich gesagt nicht genau, wie ich das hier alles heil mitnehmen soll …«

Die Frau folgte meinem ausgestreckten Finger zum Schaufenster, wo das Rad lehnte. Dann nahm sie an meinem Einkaufsberg Maß.

»Ach herrje, da haben Sie sich ja was vorgenommen! Sind sie im Urlaub hier?« Ich nickte und lächelte. Mein Englisch war nicht schlecht, doch den fürchterlichen deutschen Akzent konnte ich nicht leugnen.

Sie fuhr sich durch die rosa Locken und zog eine Schnute. Offenbar ihre Art zu überlegen, denn kurz darauf erhellte sich ihr rundliches Gesicht. »Warten Sie einen Moment, my dear. Ich wüsste da was.« Mit diesen Worten verschwand sie im hinteren Teil des Ladens. »James? James!« Ihre schrille Stimme passte zum rosa Lockenkopf. Ich grinste, riss mich aber zusammen, als es hinter mir polterte.

»Ja, Millie?«

Ich drehte mich um und sah mich einem freundlich dreinblickenden älteren Herrn gegenüber. James blinzelte mir spitzbübisch zu und rief: »Millie, Pumpkin! Ich bin hier!«

Eine errötete Millie kam herangerauscht. Die Farbe ihrer Wangen stach sich grauenvoll mit dem rosa Haar. »Du sollst mich in der Öffentlichkeit doch nicht so nennen«, zischte sie ihren Mann an, dann warf sie mir einen entschuldigenden Blick zu. James grinste über beide Ohren und ich hatte Mühe, nicht laut loszulachen.

»25 Jahre Ehe und immer noch keine Manieren«, knurrte Millie, doch ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Dass diese beiden sich nach so langer Zeit noch liebten, das war offensichtlich. Ein warmes Gefühl durchflutete mich.

»Oh ja, der alte Anhänger. Hm, ob der noch Luft hat?«, fragte James, nachdem Millie mein Problem geschildert hatte. »Ich werde gleich mal nachschauen gehen …« Und schon war er weg.

»Ein Fahrradanhänger?«, fragte ich überrascht.

Sie nickte enthusiastisch. »Alt und rostig, doch wenn er Luft hat, ist das Ihre beste Lösung, Lassie.«

Ich wusste, dass Lassie in Schottland die Verniedlichung von Lass war, die Bezeichnung für ein kleines Mädchen. Trotzdem sah ich vor meinem geistigen Auge einen hechelnden Collie mit Helfersyndrom. Hm, irgendwie passend.

»Sie würden ihn mir vermieten?« Das war doch mal eine handfeste Lösung, kein halber Kram.

Millie winkte ab. »Oh, don`t be silly, für so etwas nehmen wir doch kein Geld, Lassie. Sehen Sie es als persönlichen Service. Soll ich die Waren schon abrechnen, oder wollen Sie warten, bis … Oh, da ist er ja schon!«

»Rostig aber gebrauchstauglich«, verkündete James. »Soll ich den Anhänger an Ihrem Fahrrad befestigen?«

»Das wäre wirklich sehr nett! Vielen Dank, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!«, stieß ich hervor.

»Ein Lächeln ist mein bester Lohn«, zwinkerte James, und ich feuerte auf Kommando mein mitreißendstes Lächeln ab.

Millie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Was für ein Casanova«, schmunzelte sie und begann, meine Waren einzutippen.

»Und wie gefällt es Ihnen bei uns?«, fragte sie.

»Schottland ist wunderschön«, sagte ich. Mein Lächeln erstarb, als ich an den Unfall dachte. Schottland war wunderschön. In den Stunden im Auto vom Flughafen in Glasgow bis hierher hatte ich jeden Meter in mich aufgesogen. Doch dann …

»Ich hoffe, Sie haben ein schönes Zimmer gemietet?« Millie sah kurz von meinen Lebensmitteln auf. Meine Miene erhellte sich, als das Cottage vor meinem geistigen Auge den roten Sportwagen verdrängte.

»Ich habe ein idyllisches Cottage gemietet, es liegt direkt über den Klippen mit Blick auf den Loch Hourn. Vielleicht kennen sie es ja, es heißt Loch Hourn Cottage

Millie hielt inne und wurde blass. Sie starrte mich einige Sekunden an, räusperte sich und zwang sich zu einem Lächeln. »Ein wunderbares Cottage. Und die Lage … einmalig.«

»Aber?«, fragte ich nach. Dieses Mal war ich sicher, dass ich mir den plötzlichen Gefühlswechsel bezüglich des Cottages nicht einbildete. Erst John Miller, dann der Taxifahrer und nun Millie. Was war da faul? Lag es am Cottage oder am Besitzer? Oder was steckte dahinter?

»Kein aber, Lassie. Es ist ein wunderbares Cottage.«

»Das sagten Sie bereits und ich bin ganz ihrer Meinung. Aber bitte Mrs. …«

»Peebles. Millie Peebles«, warf sie rasch ein und fasste sich mit der rechten ans Herz.

»Bitte Mrs. Peebles, Sie sind nicht die Erste, die …« Ich suchte nach den richtigen Worten. »Es scheint, dass der Name des Cottages Reaktionen hervorruft. Gibt es etwas, das ich wissen sollte?«

Millie ließ hörbar die Luft raus und zog ihre Schnute. »Also gut«, entschied sie dann. »Sie würden es früher oder später sowieso erfahren. Die Menschen können das Klatschen nicht lassen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Und wenn man es mit heutigen Augen betrachtet, ist die Geschichte um Kapitän Jack McLean vermutlich eine spannende Geistergeschichte, die sogar gespensterverrückte Touristen herlocken könnte. Wäre da nicht die Tatsache, dass alles wahr ist … Lassie? My dear? Geht es Ihnen nicht gut?«

Ich spürte, dass mir sämtliches Blut entwichen war. Jack McLean. Ich saß wieder im Auto, sah das zornige Gesicht des Fahrers, trat auf die Bremse, Reifen quietschen. Dann durchbrach der rote Sportwagen die Leitplanke und verschwand … Eine klaffende Wunde, so viel Blut und er kam auf mich zu – voller Hass …

Inhalt

Neele Petersen hat einige schwere Schicksalsschläge hinter sich. Nachdem ihre jahrelang bettlägerige Mutter verstirbt, entscheidet sich Neele dafür, ein neues Leben zu beginnen. Um den nötigen Abstand zu gewinnen, fliegt sie erst einmal in den Urlaub – vier Wochen Schottland!
Doch gleich am ersten Tag wird sie in einen schweren Unfall verwickelt, der einen gewissen Laird Jack McLean lebensgefährlich verletzt. Seitdem verfolgen die kalten Augen des allseits verhassten Lairds Neele Nacht für Nacht in grausamen Albträumen. Doch damit nicht genug. Das idyllische Cottage, das Neele gemietet hat, gehört zu McLean Castle, und dort spukt niemand anderes als Kapitän Jack McLean – seit über 270 Jahren tot und ein früher Verwandter sowie Namensvetter des nun im Koma liegenden Lairds …

Bei der Reihe „Magisches Geflüster“ handelt es sich um in sich abgeschlossene und voneinander unabhängige Romane oder Kurzgeschichten. „Magisches Geflüster“ steht für Geschichten aus dem Leben gegriffen, gewürzt mit einer oder mehreren magisch-mystischen Fantasy-Begebenheiten.


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